Montag, 17. Juni 2013

Der verlorene Sohn kehrt zurück - der neue Spielfilm von Jehovas Zeugen

Es drängt mich, den Film etwas zu kommentieren. Nicht, dass ich mir anmaßen würde, nun einen allgemeingültigen Kommentar darüber zu schreiben. Einfach ein paar Worte von einem Beobachter, der selbst ein Zeuge Jehovas ist, wenngleich ein etwas weniger euphorischer.
Der Spielfilm wurde als DVD auf dem Bezirkskongress 2013 veröffentlicht.

Return of the prodigal son, new DVD movie at district convention 2013 of Jehovah's Witnesses

Der Film an sich
Es ist höchst erstaunlich, mit welcher Professionalität er gedreht wurde. So gut sogar, dass er problemlos in einem Kino laufen könnte (die Thematik macht ihn natürlich zu etwas Besonderem). Authentische schauspielerische Leistungen, toller Soundtrack, schöne Kulissen.
Wirklich erstaunlich, dass Jehovas Zeugen dahinter stehen. Eine Religion, die von vielen so wahrgenommen wird, als müsste der IQ definitiv unterdurchschnittlich sein, um dort Mitglied zu sein. Und dennoch haben sie intelligente, gut aussehende, begabte Menschen auf die Bühne gebracht und einen Spiefilm auf hohem Niveau produziert, der auch für jeden Nicht-ZJ sehenswert sein dürfte, um Einblick in die Denkweise und das Leben eines Zeugen Jehovas zu bekommen. Von einer neutralen, christlichen Warte lehrt er gute Dinge und suggeriert manche etwas fragwürdigen Werte.

Standbild aus "Der verlorene Sohn kehrt zurück", veröffentlicht von Jehovas Zeugen 2013, Bild bei 46:46 min.
Links die beiden andersgläubigen Arbeitskolleginnen, rechts zuerst David, dann Alan. (Dieses Bild wird im Rahmen des deutschen Zitatrechts zur Untermauerung und Belegung der Ausführungen dieses Artikels zur Verfügung gestellt.)

Der Protagonist David und die Arbeit
Statt mit dem handwerklichen Job zufrieden zu sein, den er im Familienbetrieb seines Vaters hat, bewirbt er sich als Web-Marketer in "der Stadt". Später im Film erfährt man, er habe mit 16 eine handwerkliche Ausbildung angefangen. Dies passt gut in das Berufsbild der Zeugen Jehovas. Es wird empfohlen, doch lieber einen etwas bildungsärmeren Job zu machen und gleichzeitig mehr Freiraum für den Predigtdienst zu haben. An sich ja eine sehr löbliche Einstellung. Interessanter Fakt: Statistiken in den USA zeigen, dass Jehovas Zeugen sowohl die Religionsgemeinschaft mit dem niedrigsten Bildungsniveau als auch mit dem niedrigsten Durchschnittsgehalt sind. Davids Vater sagt ihm quasi: "Junge, du hast hier doch alles und der Job reicht doch auch, um Freiraum für den Dienst Jehovas zu haben, warum willst du denn einen anderen Job?" David jedoch will nicht sein Leben lang den Hammer schwingen und bekommt den Job, für den er sich bewirkt.

David und das Anstoßen
In einer Szene sieht man David, wie er bewusst darauf verzichtet, mit seinen zwei Freunden anzustoßen. Jehovas Zeugen sehen es als falsch an, Gläser aneinanderklirren zu lassen, da sie dies als heidnischen Brauch betrachten. So manchem Zeugen Jehovas fallen da unweigerlich die vielen Brüder und Schwestern ein, die es nie verstanden haben, warum man sich an solch ein "Gebot" halten solle und es nicht etwa selbst entscheiden kann, ob man das mitmacht oder eben nicht. In den Veröffentlichungen wird es als selbstverständlich dargestellt, dass ein Zeuge Jehovas mit anderen nicht anstößt. "Böse Zungen" würden hier nun wiederum sagen, dass das fast wie bei den Pharisäern ist, die Gebote über Dinge aufstellten, über die das Wort Gottes nichts sagt. Doch es sei dem Zuschauer überlassen, seine eigene Meinung hierüber zu bilden.

Auszug und Selbstbestimmung
David zieht aus. Die Familie empfindet das als echt schlimm. Doch David fühlt sich eingeschränkt und kontrolliert. Hier fragt sich vielleicht der eine oder andere Zuschauer: Hat er vielleicht gar nicht so Unrecht? Als er eines morgens den Tagestext nicht mitliest, kommt gleich der böse Blick: Nanana Junge, bei dir hackts wohl! Und da war David noch ein guter Junge. Wie hätten die Eltern wohl reagiert, wenn er mal gesagt hätte: "Ich möchte heute Abend nicht mit in den Königreichssaal gehen."? Das wünscht man ihm nicht mal als passiver Zuschauer, zu erleben. Oder wenn er sagen würde: "Ich möchte den Wachtturm heute nicht mit euch studieren, weil ich gerade die Evangelien so exzesssiv lese."?
Wie dem auch sei. Stellen wir uns einige Fragen:
Ist es vom biblischen Standpunkt aus falsch, dass David auch mal alleine wohnen möchte? Nein. Ein eigener Hausstand ist eine wichtige Sache. Zwar übernimmt bei einigen Zeugen Jehovas die Ehefrau komplett die Rolle, die vorher Mama gespielt hat, aber das soll doch wohl nicht die Empfehlung sein.
Ist es vom biblischen Standpunkt aus falsch, dass David mit 21 Jahren nicht immer Rechenschaft ablegen möchte, was er gerade tut, mit wem er sich trifft und wann er heimkommt? Nein. Da haben wir auch die Aussage mit dem PC im Wohnzimmer, damit ja niemand auf schmuddelige Seite gehen kann, ohne dass es jemand anders bemerkt. Das ist sicher eine vorbildliche Sache um Zeichen zu setzen, dass es die Familie verschmäht, wenn sich jemand anstößiges Material ansieht. Heute ist es üblich, dass die 14 Jährigen einen eigenen PC haben und Hardcore Pornos wie selbstverständlich darauf ansehen, als ob es das Natürlichste der Welt wäre. Das muss in der Tat nicht sein. Wenn jedoch ein 21-Jähriger ein wenig Privatsphäre und Selbstbestimmung einfordert, ist dies sicher nicht zu verdammen. Ich für meinen Teil habe das Vertrauen, dass jemand, der Jesus wirklich anhangt, den Wunsch hat, von Dingen Abstand zu nehmen, die ihm missfallen, auch wenn man gerade nicht beobachtet wird. Und wenn es jemand doch tun will - alte Erziehungsregel - wird er immer Mittel und Wege dafür finden.

Der böse Alan
Bei Alan habe ich mir zwangsläufig die meisten Gedanken gemacht. Es ist wirklich so sehr erkenntnisreich, über diese Person nachzudenken. Nicht, dass er so ein toller Typ wäre - aber was doch alles durch diese Person vermittelt werden soll und gleichzeitig doch nicht vermittelt wird. Am Anfang macht er einen lockern, sympatischen, erfolgreichen Eindruck. Tolle Sache. Auch die Frisur - im Bethel darf er die bestimmt nicht so tragen :) (siehe Interview-Teil auf der DVD).
Man stelle sich vor, er hätte nicht immer gekniffen beim Thema Religion und Glauben, sondern offen gesagt: Ja, ich glaube an Jesus Christus und bin Zeuge Jehovas. Mit dem Unterton "Ich bin stolz darauf, Jesus nachzufolgen und rede gern darüber."
Ääh, na dann sähe alles ganz anders aus. Dann hätte er immer noch eine bethelunfähige Frisur, aber einen gelebten Glauben. Dann könnte er sogar sagen: "Das mit dem Anstoßen und den Geburtstagen sehe ich ein wenig anders als meine Religion" und man würde ihn trotzdem noch als Jesus liebenden Meschen wahrnehmen. Man weiß zwar nicht, ob das nicht eines Tages zum Ausschluss führen würde, aber malen wir mal nicht den "Teufel" an die Wand und behaupten, das würde von Jehovas Zeugen toleriert werden,da es keine schwere Sünde darstellen würde. Der böse Alan würde plötzlich zum Gegenteil verkehren. Obwohl er kein Handwerker ist und nicht zu Hause bei Mama wohnt, könnte er ein Glaubensmensch sein, was einige suggestive Züge zum Thema Arbeit und Wohnen völlig relativieren würde. Interessanter Gedanke, nicht wahr?

Alles wieder gut
Bei David wird alles wieder gut, sobald er seinem Strudel in die Welt entfliegt, der primär daraus bestand, sich eine fordernde Arbeit zu suchen, mit Andersgläubigen nach der Arbeit Umgang zu pflegen und weniger häufig in den Königreichssaal zu gehen. Auch hier wieder gefragt: Wäre wäre, wenn er in der "großen Stadt" weiterhin fleißig die Bibel studiert hätte? Wenn er Alan vielleicht sogar dazu gebracht hätte, sich selbst wieder auf Jesus zu besinnen? Wenn er mit anderen statt über die Eigenheiten bei Jehovas Zeugen über Jesus mit Funkeln in den Augen gesprochen hätte? Er hätte dennoch Alan und seinem Chef klarmachen können, dass er Zeit für seinen Glauben haben möchte. Das passt nun eben so gar nicht ins Bild von Jehovas Zeugen, dass jemand, der nicht aktiv  mit dem "Volk Gottes" verbunden ist, Glauben haben kann. Aber was soll dagegen einzuwenden sein, wenn es die Bibel doch nicht anders lehrt? Jesus spricht von den Grundregeln, die ein Mensch einhalten soll. Von der Sichtweise, die er auf das Alte Testament haben muss, um es zu verstehen. Und das Einstehen für das Reich Gottes, das kommen würde. Wenn sich jemand an diese Dinge hält, was soll ihm im Herrn erwidert werden können, ohne sich selbst zu verurteilen und über das Hinauszugehen, was geschrieben steht?

Ein toll gemachter Film mit vielen Denkanstößen

In Liebe

Kyp

1 Kommentar:

  1. "Es ist höchst erstaunlich, mit welcher Professionalität er gedreht wurde."

    DAS ist wirklich erstaunlich, LOL.

    http://www.zukunftia.de/5098/der-verlorene-sohn-kommt-zurueck-zeugen-jehova-aufklaerungsfilm-im-review/

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