Montag, 20. Februar 2017

Der alte Mann, der Zeugen Jehovas hasste (Geschichten-Montag: Aus dem Leben eines Zeugen Jehovas)

Ich erinnere mich an eine Begebenheit nach einem Bezirkskongress in Hamburg ca. 2010. Ich ging mit meiner (leiblichen) Schwester, die ebenfalls Zeuge Jehovas war, zu unserem Auto. Wir waren gut drauf und lachten, weil wir uns bei leichtem Regen zusammen unter einen Schirm zwängten. Wir gingen durch schmale Siedlungsgassen zum Autoparkplatz. Ein alter Mann guckte uns grimmig an und musterte uns. Wir kicherten immer noch vor uns hin, weil es sich so doof anfühlte, sich als Erwachsene zu zweit unter einen Schirm zu quetschen. Der alte Mann rief uns von ca. 3 Metern Entfernung zu, als wir vorbeiliefen: „Sagt mal, seid ihr Zeugen Jehovas?“ Wir sagten: „Ja.“ „Die gehören alle weggemacht.“

Er sagte es exakt so. Keinen Satz davor und keinen danach. Eigentlich waren wir gut drauf. Hatten einen schönen Kongress erlebt. Und dann sagt uns ein grimmiger alter Mann einfach sowas. Es wirkte auf mich wie Hass ohne Grund. Es war eindeutig, dass er mit "weggemacht" sowas wie ausgerottet meinte. Ich kam mir wie im Dritten Reich vor, bevor die Zeugen Jehovas ins KZ gesteckt wurden. Da hat wahrscheinlich eine ähnliche Stimmung vorgeherrscht.

Ich murmelte nur „okay…“ und ging mit meiner Schwester weiter zum Auto. Ich glaube, wir unterhielten uns darüber bei der Heimfahrt nicht. So wie ich meine Schwester kenne, hatte sie es eh schnell wieder aus dem Kopf verdrängt. Doch ich nicht. Mir ging es nach. Ich saß danach auf meinem Balkon. Es war am Abend sonnig und warm. Und ich saß da und dachte nach. Warum nur wurden wir Zeugen Jehovas so gehasst? Warum sagte das ein alter Mann einfach so? Er war ja wohl nicht dämonisiert oder so!?

Ich betete an diesem Tag viel. Dass ich für die Wahrheit leben will, egal wie schwer es sein mag. Und wie dankbar ich für den Kongress bin. Und dass mich Jehova doch leiten möge.

Die Begebenheit ging mir nahe. Sie bestärkte mich in dem Gefühl, in der einzig wahren Religion zu sein. Welcher anderen Religion würde wohl so ein Hass entgegengebracht werden?

Heute frage ich mich, was damals wohl wirklich mit dem alten Mann los war. Hat er ein Familienmitglied an die Zeugen Jehovas „verloren“? Hatte er irgendwelche nachvollziehbaren Gründe für seinen Hass? Oder war er einfach nur ein Spinner, der sich irgendwas einbildete? Kämpfte er wirklich gegen Gott oder hatte er eine andere Geschichte?

Heute habe ich eine andere Sicht, auf die Gründe, weshalb Zeugen Jehovas im Allgemeinen abgelehnt werden und weiß, dass dies meistens nichts mit ihrem vermeintlich christlichem Verhalten, sondern eben mit ihrem in meinen Augen unchristlichen Verhalten zu tun hat. Aber dazu habe ich schon viel an anderer Stelle in diesem Blog veröffentlicht.

Die Situation damals nach dem Kongress fand ich so eigenartig und ich habe so viel darüber nachgedacht und mich dadurch so sehr in meinem Glauben bestätigt gefühlt, dass ich sie aufgeschrieben habe.

P.S.: Ich schreibe schon seit längerem Erinnerungen verschiedene Passagen meines Lebens als Zeuge Jehovas auf, die ich festhalten will. Wie schon hin und wieder mal geschehen :) . Vielleicht wird es mal ein Buch, wer weiß.

In Liebe

Kyp 

2 Kommentare:

  1. Wahnsinn dass ein so einfaches Erlebnis dich zum abtrünnigen machte. Hast wohl vergessen zu beten das Raymond martinis Jehova alles störende fern halten soll hahahahaha

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    1. Kannst du deinen Gedankengang nochmal auf deutsch ausdrücken? Bis jetzt verstehe ich nur Martini und Bahnhof.

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